Wegschauen ist nicht mehr erlaubt

Die Wetzlarer SPD hat eine Gedenkplakette für den ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die Opfer des rechten Terrors unserer Tage angeregt.

 

Alljährlich am 27. Januar versammeln sich auch in Wetzlar viele Einwohnerinnen und Einwohner am Mahnmal für die Opfer des Holocaust, um den Opfern der nationalsozialistischen Gräueltaten zu gedenken. Doch es gilt mehr denn je daran zu erinnern, dass auch in unserer Zeit Menschen durch die Hand Rechtsextremer und ihrer Netzwerke ermordet werden, so auch der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) im Sommer 2019.

 

Das Wachhalten der Erinnerung an die Gräueltaten der Nazis, ihrer Helfer und Helferhelfer, das Brandmarken ihrer Ideologie, das Durchführen würdevoller Gedenkstunden, der Erhalt und die Weiterentwicklung gut wahrnehmbarer Gedenkorte, antifaschistische Stadtführungen, aber auch Gespräche mit Zeitzeugen sowie das Bewahren ihrer Erinnerungen sind Teil der Verantwortung der heute lebenden Generation. Ganz im Sinne des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer, der gesagt hat: „Ihr seid nicht schuld, an dem was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht“.

 

Dieser Verantwortung sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns sehr bewusst, so Manfred Wagner, Stadtverbandsvorsitzender der Wetzlarer SPD und Oberbürgermeister der Stadt.

 

Geschichte darf sich nicht wiederholen

 

Schließlich standen und stehen bis zum heutigen Tage Menschen in den Reihen der Wetzlarer SPD, die Familienmitglieder durch die Ideologie und die Taten der Nazis in Konzentrationslagern verloren haben, die darunter litten, dass sie auf einmal nicht mehr das Nachbarsmädchen waren, sondern das Judenbalg, deren Leben selbst in höchster Gefahr war und die nur knapp dem Tode entgangen sind, aber auch Menschen, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus und seine menschenverachtende Ideologie gekämpft haben. Sie scheuten sich nicht, sich selbst in Gefahr zu bringen.

 

Und über all dem, was wir heute im Wege unserer Erinnerungsarbeit, der Information und der Aufklärung tun, steht das Wort „Nie wieder“. Nie wieder darf sich der tiefste Riss in der Zivilisation, den es je gegeben hat, wiederholen; auch nicht in Ansätzen.

 

Doch leider erleben wir in unserer Zeit anderes. Vor 40 Jahren, am 26. September 1980, fand das Attentat auf dem Münchner Oktoberfest statt. 13 Menschen wurden getötet, über 220 zum Teil sehr schwer verletzt. Als Täter wurde Gundolf Köhler ermittelt, der selbst bei dem Anschlag starb. Er war Mitglied der neonazistischen Wiking-Jugend und der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) gewesen.

 

Und so hat Bundespräsident Frank Walter Steinmeier zum vierzigsten Jahrestag des Oktoberfestattentates in München betont: „Die rechtsterroristischen Mordtaten der vergangenen Jahrzehnte waren nicht das Werk von Verwirrten. Die Täter waren eingebunden in Netzwerke des Hasses und der Gewalt, oder ließen sich von ihnen zu ihren Taten anstiften. Diese Netzwerke müssen wir aufspüren. Wir müssen sie bekämpfen - noch entschiedener als bisher! Wegschauen ist nicht mehr erlaubt. Nicht nach dem Oktoberfestattentat, nicht nach dem NSU-Prozess, nicht nach den Drohschreiben des NSU 2.0, nach Waffenfunden und Feindeslisten sogenannter „Preppergruppen“ mit Verbindungen zu Reservisten der Bundeswehr, Kriminalbeamten, Spezialeinsatzkommandos, ja selbst zu Richtern und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, nicht nach der Aufdeckung einer rechtsextremen Chatgruppe innerhalb der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Feinde der Freiheit und der Demokratie dürfen in der Polizei nicht geduldet werden. Es muss jede Anstrengung unternommen werden, rechtsextreme Netzwerke zu enttarnen, wo es sie gibt. Die Polizeiführungen und die politisch Verantwortlichen dürfen kein Klima dulden, in dem sie entstehen und von anderen gedeckt werden können.“

 

Mahnmal mit Gedenkplaketten

 

Frank Walter Steinmeier hat am Ort des Oktoberfestattentates nicht nur der Opfer gedacht, den Angehörigen den Respekt und das Mitgefühl des Staates ausgesprochen. Er hat auch das benannte, was in Deutschland falsch läuft und was oftmals verharmlost und kleingeredet wurde.

 

„Und wenn wir immer wieder betonen, dass sich die dunkelsten Stunden unserer Geschichte nicht wiederholen dürfen, dann müssen wir auch die Opfer des rechten Terrors unserer Tage ganz fest in den Blick und in unsere Mitte nehmen“, betonte der Stadtverbandsvorsitzende der Wetzlarer SPD.

 

Die Wetzlarer SPD schlage daher vor, vis a vis des Mahnmals für die Opfer des Holocaust ein Mahnmal mit Gedenkplaketten für die Opfer des rechtsextremistischen Terrors unserer Tage, so auch für Walter Lübcke, der als mutiger Repräsentant des Staates kaltblütig ermordet wurde, zu errichten.

 

Man werde das Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der demokratischen Parteien und Wählergruppen im Stadtparlament suchen, damit das Vorhaben möglichst von den demokratischen Kräften in der Stadt und damit von einer großen Mehrheit getragen werde.