Im Rahmen der Jahreshauptversammlung des Ortsvereins Wetzlar wurde Gisela Jäckel mit der Willy-Brandt Medaille geehrt. Es ist die höchste Auszeichnung, die die Partei vergibt. Jäckel, die in der Zeit der Naziherrschaft verfolgt und nur knapp der Deportation entgangen war, berichtet heute als Zeitzeugin jungen Menschen von ihren Erlebnissen aus dieser dunklen Zeit.
Stadtverbandsvorsitzender Manfred Wagner dankte ihr bei der Übergabe des Preises dafür, „dass Du Deine Erfahrungen in die Gesellschafft trägst.“ Er nannte Jäckel ein leuchtendes Beispiel für unsere Demokratie.
In seiner Laudatio zeichnete Ernst Richter, Vorsitzender des Vereins „Wetzlar erinnert e.V.“, wichtige Stationen des Lebensweges der Geehrten nach. Diese musste bereits als junges Mädchen mit vier Jahren erleben, wie der Großvater im Jahr 1938 einen Tag nach den Pogromen gegen die Juden in sogenannte Schutzhaft genommen wurde, aus der er später entlassen wurde. 1940 wurden die Großeltern verhaftet und in Konzentrationslager gebracht, wo sie ermordet wurden. 1942 wurde Jäckels Mutter nach Ausschwitz abtransportiert. Auch sie überlebte nicht.
Gisela Jäckel, die im Alltag vielen Beschimpfungen ausgesetzt war, musste sich oft schikanieren lassen. So verweigerte man ihr bei Bombenangriffen teilweise den Zugang zum Spitterschutzgraben in Büblingshausen, wo sie bei ihrer Großmutter väterlicherseits untergekommen war. Sie selbst sei dem Tode in letzter Minute von der Schippe gesprungen, so Richter, denn der Abtransportbefehl für Gisela Jäckel lag schon vor. Nur der Einmarsch der Amerikaner am 29. März 1945 in Wetzlar verhinderte dessen Umsetzung.
Ernst Richter lobte Jäckel für ihr gesellschaftliches Engagement: „Sie ist mutig, kompromisslos und im hohen Alter noch gegen Nazis auf die Straße gegangen.“
Für seine Mutter und ihre Familie bedankte sich Gisela Jäckels Sohn Thomas. Er erinnerte daran, dass seine Mutter Jahrzehnte gebraucht hatte, um über ihr Schicksal zu sprechen.
Als Merkmal der Demagogen, die das dritte Reich möglich gemacht hatten, benannte er die Ausgrenzung. An dieser könne man auch heute noch die Gesinnung entsprechender Menschen erkennen.
Als Schlüssel zur Demokratie benannte er Ethik und Wertschätzung. Diese müssten sich in Gesprächen und Taten ausdrücken. Wenn man wolle, dass sich Menschen zu einer Demokratie bekennen, müsste man ihnen beispielsweise auch einen Lohn für ihre Arbeit garantieren, der Wertschätzung widerspiegele.
Bei Oberbürgermeister Manfred Wagner bedankte er sich im Namen seiner Familie für dessen Zivilcourage. Wagner trete dem braunen Mob entschieden entgegen.
Das letzte Wort hatte die Geehrte selbst. „Ich bin gerne SPD-Mitglied stellte“, sie fest. Und in Bezug auf ihre Lebensgeschichte fügte sie hinzu: „Ich kann verzeihen, aber nicht vergessen. Was ich erlebt habe, hängt alles in meinem Herzen.“