Wetzlar:                                                                     Schattenboxen im Stadtparlament

Sie sitzen im Stadtparlament nebeneinander, die FDP und die NPD. Die FDP möchte das

ändern. Das hindert sie nicht, gemeinsam gegen einen Windpark in Blasbach zu Felde zu

ziehen. Und dies - auch da pflegen sie Gemeinsamkeit - unter Mißachtung ihrer parteiprogrammatischen Prinzipien.

 

Den Nationaldemokraten - und insbesondere dem promovierten Fraktionsvorsitzenden -

müsste klar sein, dass die zwergenhafte außenpolitische Rolle Deutschlands im

Wesentlichen auf der Abhängigkeit von den Energielieferungen Russlands und des Nahen

Ostens beruht. Den einzigen Ausweg eröffnen die Erneuerbaren Energien.

Die FDP demgegenüber hat im Zusammenhang mit der Energiewende zu Recht betont,

dass Deutschland mit der Hinwendung zur Erneuerbaren Energie ein riesiges

Wertschöpfungspotential heben könne. In der Tat kann Deutschland damit seine Position im

globalen Wettbewerb ohne dramatische Absenkung des Lohnniveaus nachhaltig absichern.

Auch das müsste der NPD zumindest nicht unlieb sein.

 

Vor diesem Hintergrund war es die schwarz-gelbe Landtagskoalition, die sich unter dem

FDP-geführten Wirtschaftsministerium dafür stark gemacht hat, Konzentrationsflächen für

Windenergie ab einer Windgeschwindigkeit von 5,75 m/sek auszuweisen. Der

Experten-Hinweis auf die ökonomische Grenzwertigkeit wurde seinerzeit mit

wirtschaftsliberaler Grundhaltung vom Tisch gewischt: Man müsse es den Investoren

überlassen, die Wirtschaftlichkeit zu beurteilen. Nur aufgrund dessen ist es zur Ausweisung

der Windvorrangfläche in Blasbach gekommen. Herr Dr. Büger als daran beteiligter

Landtagsabgeordneter müsste sich dessen erinnern.

 

Nun soll das alles nicht mehr gelten. Ein Unternehmen hat aufgrund eines vom

Stadtparlament mehrheitlich beschlossenen Pachtvertrags etliche Hunderttausend Euro

investiert und einen Antrag auf Genehmigung des Parks gestellt. Der wollte die NPD

ursprünglich ob ihrer grundsätzlichen Ablehnung von Widkraft durch eine Kündigung des

Pachtvertrags zuvorkommen.Nach einem Hinweis auf die mangelnde Kündbarkeit des

Pachtvertrags modifizierte sie ihren Antrag und verknüpfte ihn mit der Aufforderung an das

Regierungspräsidium, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens schärfer zu prüfen.

Soweit wollte die FDP dann nicht gehen und distanzierte sich in diesem Punkt ausdrücklich

von dieser Aufforderung zum Rechtsbruch. Sie wollte - offensichtlich mit Blick auf die

Bürgerinitiative - alle Möglichkeiten des Magristrats ausgeschöpft wissen, den Bau des

Parks zu verhindern. Auch der Hinweis auf den dann fälligen Schadensersatz von mehreren

Hunderttausend € sowie der Wegfall von Pacht und Gewerbesteuer konnte sie nicht davon

abbringen. Insoweit war sie sich wieder einig mit der NPD.

 

Auch in einem höchst merkwürdigen Demokratieverständnis: Der Ortsbeirat als gewählte

Vertretung des Ortsteils hat dem Projekt vor Abschluss des Pachtvertrags mit deutlicher

Mehrheit zugestimmt und jetzt sollte das offizielle Votum aufgrund einer von auswärtigen

Windkraftgegnern unterstützten Bürgerinitiative ignoriert werden. Noch problematischer ist

das angestrebte Ansinnen an den Investor, eine im Vertrauen auf einen Pachtvertrag mit der

Stadt getätigte Investition in den Wind zu schreiben. Als Investor muss man es sich zweimal

überlegen, in einem solchen Umfeld zu investieren. Wirtschaftsförderung sieht anders aus.

Last not least: Die Diskussion war so überflüssig wie ein Kropf. Sie konnte von vornherein

nichts bewirken und hat auch nichts bewirkt. Außer einer Verschiebung eines wichtigen Teils

der Tagesordnung auf November. Dem Vertrauen der Bevölkerung in die Kommunalpolitik

ist das nicht eben förderlich.

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