Politiker-Formulierungen:                                     Gerhard Merz über Papyrrhussiege und mehr

Wer Baustellen plant, muss „das Zeitfenster immer im Gesicht haben". Das ist eine von vielen unfreiwillig komischen oder im Eifer der Debatte misslungenen Politiker-Formulierungen, die der Landtagsabgeordnete Gerhard Merz zusammengetragen hat. 

Von ausgebremsten Umgehungsstraßen, aus dem Ruder geratenen Pedalen und an die Wand gemalten Kassandrarufen ist da die freie Rede und von Leuten, „deren liebstes Kind der Ellenbogen ist". In Merzens Stilblüten-Sammlung „Papyrrhussiege" kommt niemand ungeschoren davon, auch nicht sein Chef, der SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel.

Wenn Politiker wichtig klingen wollen, kommt manchmal ziemlicher Quatsch dabei heraus. Der SPD-Landtagsabgeordnete Gerhard Merz hat die wunderlichsten Zitate aus dem Parlament gesammelt. Es gibt genug Menschen, die Stuss erzählen, aber bei Politikern fällt es besonders auf. Manchmal wollen sie wichtig klingen und erzählen von „Rahmenbedingungen“, „Stellschrauben“, „Quantensprüngen“ und „Pyrrhussiegen“. Hauptsache, es hört sich gut an. Das tut es aber gar nicht, sagt der Landtagsabgeordnete Gerhard Merz. Man muss doch nur ein bisschen genauer hinhören, um festzustellen, dass meistens Quatsch dabei herauskommt. So wie bei der Feststellung seines SPD-Kollegen Norbert Schmitt, „dass ein Schuss aus der Hüfte uns genau an der anderen Ecke die Diskussion aufmacht“. Oder wie bei Günter Schork (CDU), der einst formulierte: „Inklusion ist kein Thema, um ideologische Vorstellungen auf dem Rücken von Kindern auszubaden.“

 

Der 63-jährige Gießener Merz hört hin und schreibt mit. Jetzt hat er ein Buch daraus gemacht, das den schönen Titel „Papyrrhussiege“ trägt, eine Wortschöpfung von SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel. Merz weiß, wovon er spricht. Er ist selber Berufspolitiker. Der Sozialdemokrat gehört dem Landesparlament seit 2008 an, außerdem ist er Stadtverordneter in Gießen. In all diesen Sitzungen schreibt er mit, was Redner für sprachlichen Unfug erzählen. „Sprachmüll“, wie Merz sagt.Es ist eine politische Archivarbeit geworden, die ein wenig an den großen deutschen Chronisten Walter Kempowski erinnert. Das Buch lebt von den hingeplauderten Sätzen, die beim genaueren Lesen entweder Kopfschütteln oder herzliches Lachen auslösen. Meistens braucht es dazu gar nicht die gewitzte Interpretation, die der Autor hinzufügt.Merz spießt auch Merz auf. Bei einer SPD-Veranstaltung sagte er einmal: „Wir müssen die Hände hochkrempeln.“ Diese Worte werden exakt datiert wie alle seine „Sprachmüll“-Funde.

 

Die Versorgung der Hessen mit Papyrrhussiegen sei mittlerweile leichter geworden, berichtet der Autor schmunzelnd. Denn da die Kolleginnen und Kollegen seine Buchführung kennten, trügen sie ihm gerne Fundstücke zu.Zitate aus dem LandtagGerhard Merz, Papyrrhussiege und hässliche Wörter, VAS Verlag Bad Homburg, 134 Seiten, 12,80 Euro.Den anderen Politikern spricht Merz im Nachwort denn auch seinen Dank aus. Manchmal denke er, sie machten „das alles nur meinetwegen, sie sagen all diese wunderbaren Dinge nur, damit ich sie aufschreibe“. Der hessische SPD-Vorsitzende Schäfer-Gümbel ist sich im Vorwort bereits sicher: „Er wird weitermachen und das nächste Buch wird sich schnell füllen.“

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